Keine Panik - Digitalisierung von Schulen
Seit Jahren wurde die Digitalisierung von Schulen beschlossen. Aber so richtig passiert ist erst seit dem Corona Lockdown etwas. Aber es ist mehr “passiert", als dass es ordentlich geplant wurde.
Viele Kultusministerien haben ihre Schulen komplett alleine gelassen. Obwohl sie seit Jahren den Auftrag haben, hatten sie immer noch kein Konzept, noch eine Ahnung, was mit “Digitalisierung der Schulen” gemeint sein könnte.
Manche Bundesländer verfallen jetzt in einen Panikmodus und gehen Kooperationen mit großen amerikanischen Konzernen ein, wie Apple, Microsoft, Facebook oder Google. Das ist sehr verwunderlich, denn seit der Einsatz von z.B. Messengern wie Whatsapp (Facebook) oder auch Telegram illegal sind, ist dieser Schritt um so verwunderlicher - wenn man alleine nur die Tagespresse in den letzten Monaten verfolgt hat.
Die zwei wichtigsten Gründe, warum eine aktive, wie passive Kooperation mit Apple, Microsoft, Google, Facebook, Telegram oder wie sie alle heißen unter allen Umständen zu vermeiden ist
- Die Firmen sind darauf aufgebaut, die Daten ihrer Nutzer zu verkaufen.
- Kinder werden auf die Oberflächen und Produkte der Firmen konditioniert
Es gibt noch wesentlich mehr Gründe, wie: die zukünftige Kosten und wie wir mit unserem Bildungssystem amerikanische Konzerne finanzieren. Oder die Abhängigkeit von fremden, durch die Wirtschaft abhängige Infrastrukturen.
Und wenn wir eines in den letzten Jahren gelernt haben (sollten) ist, dass unabhängige und dezentrale Strukturen nicht nur im Bereich Ausfallsicherheit hinzugewinnen, sondern auch insgesamt beim Thema Sicherheit. Die gesamte Blockchain Sicherheit basiert auf Dezentralisierung. Eine sehr bewährte Infrastruktur ist hier die Email. Oder wann wurde zum letzten Mal der weltweite Ausfall der “Email” gemeldet? Und wann dagegen Whatsapp, Microsoft, Apple oder Google?
Wer bei dem Thema Datenschutz wieder die Augen rollt, hat immer noch nicht verstanden, dass er im Tal der Ahnungslosen weilt und Kinder willentlich, absichtlich, fahrlässig verkauft und konditionieren lässt. Oder anders ausgedrückt: Eine Gehirnwäsche verpasst. Warum lassen wir den Religionsunterricht nicht gleich von den Scientologen machen?
Mehr zu dem Thema Verkauf von Daten (trotz englischem Titel, ein deutschsprachiger Vortrag) : Build your own NSA. How private companies leak your personal data into the public domain, and how you can buy it. https://media.ccc.de/v/33c3-8034-build_your_own_nsa
Aber von den Zweiflern wieder zurück zur Realität: Was sollten Kultusministerien als tun?
Nichts einfacher als das. Seit Jahren klopfen Verbände und Organisationen bei den Kultusministerien mit Lösungen an die Türen. Jetzt wäre es an der Zeit diese Türen zu öffnen und Hilfe anzunehmen. Dafür die Türen für die Lobbyisten endgültig zu schließen. Das sollte uns unser Bildungssystem und unsere Zukunft wert sein.
Zum Beispiel Baden-Württemberg https://schule-bw.de/ und NRW z.B. mit dem Portal “Logineo” https://www.logineo.schulministerium.nrw.de/LOGINEO/Startseite/ preschen da ganz gut voran. Zum Teil mit proprietärer Software und zum Teil mit Opensource Software, die zusätzlich allgemein anerkannte Standards erfüllt.
Bremen, als Negativ-Beispiel, verteilt gerade aus purer Verzweiflung und Inkompetenz Apple iPads an den Schulen. Dort hat man immer noch nicht verstanden, dass Digitalisierung an Schulen NICHT heißt, dass mehr Bildschirme und Tablets in die Klassenzimmer gebracht werden.
Leih-Tablets für Bremer Schulen.Zuschlag für Apple ruft Kritiker auf den Plan https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-zuschlag-fuer-apple-ruft-kritiker-auf-den-plan-_arid,1922740.html
Welchen Einfluss ein Smartphone, ein Tablet oder ein Computer, nicht nur in einem Klassenzimmer haben kann, verdeutlicht dieser Vortrag , der sich in großen Teilen mit der “digitalen Bildung” beschäftigt. Beziehungsweise der negative Einfluss der Präsenz von digitalen Endgeräten bei Menschengruppen.
Von der digitalen Demenz zur Smartphone-Pandemie von Manfred Spitzer - https://youtu.be/MRrPbNLhEuQ
Es gibt noch so viele wichtige Kritikpunkte, die man anbringen kann, aber es ist Zeit, hier den hauptsächlich konstruktiven Teil des Artikels zu beginnen.
Was muss getan werden?
Verstehen, was Digitalisierung an Schulen heißt und eine Liste, was gemacht werden muss, um alles umzusetzen zu können.
Digitalisierung an Schulen bedeutet ganz einfach, dass man sämtliche Vorgänge, Kommunikation, Materialien sämtlicher Art digital erstellt, verteilt oder speichert. Das gilt für den gesamten Vorgang innerhalb der Schulverwaltung und die Interaktion mit LehrernInnen, SchülernInnen und den Eltern. Jede/r SchülerIn muss ein ordentliches digitalen Gerät zur Verfügung haben, das allerdings NICHT während des Unterrichts benutzt wird.
Die Liste
- Ein ordentlicher Plan muss her
- Aufbau einer IT Infrastruktur (Rechenzentrum, Internetanschlüsse, Gerätepark, Schulübergreifende IT)
- Datenschutz, Standards und Opensource
- Finanzierungsplan für alle Schulen (Infrastruktur, Hardware, Support & Lizenzen)
- Unterrichtskonzepte (z.B. Umgedrehter Unterricht bzw. Flipped Classroom oder Inverted Classroom https://de.wikipedia.org/wiki/Umgedrehter_Unterricht) Christian Spannagel ist ein deutscher Informatiker und Professor für Mathematik und Mathematikdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, der dieses Konzept schon seit 2013 erfolgreich an den Unis anwendet auf seinem Youtube Kanal erklärt er auch, was das genau ist https://youtu.be/0SwQw-LShnA und https://www.youtube.com/watch?v=5RxFIKQieWM
- Im Idealfall in Abstimmung mit allen anderen Kultusministerien, um auch einen Ortswechsel eines Schülers nicht unnötig zu erschweren.
Der Rahmen für einen ordentlichen Plan muss von den Kultusministerien kommen. Der Rahmen sollte Vorschläge und Beispiele enthalten. Zum Beispiel
- pro Bundesland ein Schul-Rechenzentrum, regionsansässiger IT Support plus länderübergreifender IT Notdienst.
- Vorgabe der einzusetzenden Software. Wenn irgend nur möglich immer Opensource Software einsetzen. Eine Softwareliste folgt weiter unten.
- Strikte Einhaltung des Datenschutzes. Bevor ein Service in Betrieb genommen wird, muss die Einhaltung und Sicherung des Datenschutzes dokumentiert werden. Das soll jährlich geprüft werden. Zusätzlich müssen die Benutzer darüber informiert werden und diese Informationen jederzeit einfach auffindbar immer im freien Zugriff sein.
- Offene Standards wie Dokumentformate, Protokolle und Kommunikation muss zwingend eingesetzt werden. Es kann nicht sein, dass bei der Bildung eine Firma bestimmt, wer mit wem, was und wie austauschen kann.
- OpenSource Lizenzen, wo es nur geht. OpenSource Lizenz, meist die GPL besagt, dass man für die Lizenz nichts bezahlen muss. OpenSource Firmen verdienen ihr Geld ehrlicherweise mit der Einführung, dem Support und der Anpassung an die jeweiligen Umstände.
- Den Schulen muss mindestens eine Anforderungsliste für Hardware ausgegeben werden. die ausreichend auch für die Zukunft ist. Stichworte: Viel Arbeitsspeicher, Betriebssystem Linux.
- SchülerInnen, denen kein Computer zur Verfügung steht bzw von den Eltern nicht zur Verfügung gestellt werden kann, sollte es ermöglicht werden z.B. einen RasperyPi https://www.raspberrypi.org/ mindestens Modell 4 mit 8GB RAM, mit Tastatur, Maus und HDMI Kabel gestellt werden werden. Als Installation wird ein Linux installiert. Mit diesem kleinen Allrounder kann man alles machen, was an einer Schule gemacht werden muss.
- Unterrichtskonzepte wie oben beschrieben müssen zeitgemäß angepasst und auch auf weitere eventuelle Lockdowns vorbereitet werden. Das würde die LehrerInnen massiv entlasten und ihnen wieder mehr Zeit für die individuelle Betreuung der SchülerInnen geben.
- Bitte! in Abstimmung mit allen anderen Kultusministerien und Weglassung irgendwelcher egozentrischen Alleingänge. Danke.
Wenn wir die besten Fachkräfte in Deutschland oder in Europa haben wollen, wie sie die Wirtschaft immer wieder fordert, dann müssen wir mindestens einen Goldstandard im Bildungswesen schaffen. Die Kosten dürfen dann auch bedingungslos und zu einem gewissen Teil von der Wirtschaft getragen werden. Schließlich sind sie dann lange Jahrzehnte die Nutznießer dieser Investition.
Vieles könnte ich noch dazu schreiben, aber eines wäre ein wirklich tolles Zeichen:
Gebt jenen LehrerInnen, die in den Zeiten des Lockdowns auf Eigeninitiative hin aus dem nichts versucht haben einen Unterricht möglich zu machen und anderen geholfen haben, gebt diesen Menschen das Bundesverdienstkreuz. Danke.
Die Stufen der Digitalisierung an Schulen sollten sein
- Jede Schule hat eine eigene Infrastruktur #dezentral (eigene Cloud, eigener in der Schule stehender Server) , so dass bei Netzausfall, die Schule in sich, noch funktionsfähig ist
- Die gesamte Kommunikation zwischen Lehrern, Schülern und Eltern muss über das Kommunikationssystem und Cloud der Schule abgewickelt werden können.
- Lehrer müssen geschult werden! Und zwar auch digital mit Lehrvideos, die sie sich zur Not immer wieder anschauen können. Nicht weil sie blöd sind, sondern weil sie einen großen Teil ihrer Tätigkeit damit verbringen Kindern etwas beizubringen und sie auch noch im Zaum zu halten. Wer immer noch lacht, der soll mal eine Woche lang 4 verschiedene Klassen mit unterschiedlichem Alter beaufsichtigen.
- Lehrinhalte wie Unterrichtsvideos, Handouts, Tafelbilder usw müssen digital werden und auch auf der schuleigenen Cloud verfügbar sein.
- Kinder, die privat keinen Zugang zu einem Computer haben, muss ein Zugang (auch für zu Hause) ermöglicht werden (z.B. Raspi 400 https://www.raspberrypi.org/products/raspberry-pi-400/ )
- Unterricht mit Computer sollte auch nur in speziellen Fächern abgehalten werden, in denen der Computer auch eine große Rolle spielt, wie EDV, Datenbanken, Medienkompetenz, Recherche im Netz, Office lernen (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentation, usw)
Softwareliste für LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern
- Nextcloud als Cloudlösung, Dateien, Kalender, Videokonferenz (OpenSource)
Web, Android, iOS, Linux, Windows, Mac https://nextcloud.com/ - Element (Matrix, Synapse, Riot) als Messenger Lösung (OpenSource)
Web, Android, iOS, Linux, Windows, Mac https://matrix.org/ - LibreOffice als Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentation (OpenSource)
Web (Nextcloud), Linux, Windows, Mac https://www.libreoffice.org/ - Moodle als Lernplattform (OpenSource) https://moodle.org/
- PeerTube als Video Plattform für Präsentationen, Lernvideos bzw Flipped Classrooms (OpenSource) https://joinpeertube.org/
- BigBlueButton (OpenSource) https://bigbluebutton.org/ und/oder Jitsi (OpenSource) https://jitsi.org/ als Videoconferencing Plattform
- ….
Und das ist nur der Anfang.
Weitere Artikel und Quellen zum Thema
- Massen-Kontrolle: „Alle nutzen Google und Facebook und haben jetzt plötzlich Datenschutz-Bedenken“ https://www.nachdenkseiten.de/?p=64071
- Schulen brauchen IT-Mitarbeiter https://www.deutschlandfunk.de/schleppende-digitalisierung-schulen-brauchen-it-mitarbeiter.684.de.html?dram:article_id=483274
- Milliarden für Schul-Digitalisierung noch nicht angekommen https://www.heise.de/newsticker/meldung/Milliarden-fuer-Schul-Digitalisierung-noch-nicht-angekommen-4881942.html
- Digitalisierung an Schulen Es geht nur schleppend voran https://www.tagesschau.de/inland/digitalisierung-schule-103.html
- Digitales Lernen: Es braucht überzeugende Konzepte https://blog.wdr.de/digitalistan/digitales-lernen-es-braucht-ueberzeugende-konzepte/
- Digital Souveräne Schule https://digital-souveraene-schule.de/
- Microsoft an Schulen: Offene Fragen beim Datenschutz in Baden-Württemberg https://www.heise.de/news/Microsoft-an-Schulen-Offene-Fragen-beim-Datenschutz-in-Baden-Wuerttemberg-4889715.html
- Bildungswesen: Entlarvung der häufigsten Microsoft-Mythen https://www.kuketz-blog.de/bildungswesen-entlarvung-der-haeufigsten-microsoft-mythen/
- Lernen wie die Profis https://lernenwiedieprofis.ch/loesungen/
- HPI Schuldcoud https://hpi-schul-cloud.de/ & https://github.com/hpi-schul-cloud/
- Eine digital souveräne Schulcloud https://nextcloud.com/blog/eine-digital-souverane-schulcloud/
- GAIA-X https://de.wikipedia.org/wiki/GAIA-X
