Die perfekte DAW Integration für Midi Controller
Ich beschäftige mich seit Jahren sehr intensiv mit Musikproduktion und der DAW Bitwig Studio. Zuvor mit Ableton Live. Was immer ein großes Thema war und ist, ist die Frage:
Was ist der ideale und flexibelste Midi Controller, der die DAW und der den eigenen Workflow am besten unterstützt?
Was erst einmal nach einer mehr oder minder einfachen Kaufentscheidung klingt, kann sich im Laufe der Zeit zu einen Alptraum entwickeln. Ein Controller für die DAW. Ein Controller für eine Plugin Suite. Ein zusätzlicher Controller, um spezielle Dinge zu steuern und dann noch ein Controller, weil der erste Controller drei Dinge nicht kann, die der letzte Controller kann. Und das kann immer so weiter gehen. Und je nachdem, was man für ein Typ ist, will man eigentlich nur immer mehr schöne blinkende “Fernsteuerungen” sammeln, oder man will einen Controller haben, der einem beim Musik machen maximal unterstützt? Beides ist völlig in Ordnung. Ich gehöre zum letzteren, praktischeren Typ und für so Menschen wie mich, habe ich auch diesen Artikel geschrieben.
Der Umstand, dass unterschiedliche Softwarepakete, für im Prinzip ein und dieselbe Sache, unterschiedliche Hardware brauchen, ist absolut frustrierend und inakzeptabel!
Das ist ungefähr so, als bräuchte man ein bestimmtes Auto, wenn man eine Karotte einkauft und ein komplett anderes Auto, wenn man einen Blumenkohl einkauft.
Nicht nur, dass man eine Menge Autos bräuchte, die brauchen auch sehr viel Platz. Und jedes zusätzliche Gerät kann natürlich auch zusätzliche Probleme bereiten und auch zusätzlich kaputt gehen und und und.
Mehr Zeugs = Mehr Probleme.
Also das Ziel sollte es sein, die ultimative eierlegende Wollmichsau zu haben. Aber wie sieht diese aus und welcher Midi Controller ist das konkret?
Die Antwort darauf ist im Prinzip sehr einfach. Und auch schon sehr alt. Sie stammt vom August 1982. Dort wurde nämlich der Midi Standard 1.0 von Dave Smith veröffentlicht. Und natürlich ist die Weiterentwicklung des Midi Standards 2.0 eine absolut tolle Sache!
Aber bevor ich in die Details eintauche, warum das die Lösung für alle Probleme ist, will ich vorher noch ein paar Parameter für die Anschaffung eines Midi Controllers aufzählen.
Also was bräuchte ein guter Midi Controller heutzutage idealerweise?
Anschlüsse
- USB Anschluss, Standard Compliant, der unter allen Betriebssystemen ohne zusätzlich Treiber lauffähig ist. Dabei spricht nicht mehr Linux Enthusiasmus, sondern reine Zukunftssicherheit. Schließlich wollen wir nicht, dass der Midi Controller nicht mehr funktioniert, nur weil es keine Treiber mehr für ein künftiges Betriebssystemupdate gibt.
- Der alte DIN Midi Anschluss Stecker IN und OUT bzw TRHU. Eventuell auch als Klinkenvariante
- Unter Umständen CV bzw Gate I/O Ports, wer solche Geräte einsetzt
- Sustain Pedal Klinkenanschluss
- Expression Pedal Klinkenanschluss
Features
- Keys mit Channel Aftertouch/Pressure oder sogar idealerweise Polyphoner Aftertouch
- Keys mit Velocity
- 25/49/61 Keys in normaler Größe oder Minitasten
- Pads mit Velocity
- Pitchbend Wheel oder Touchstrip
- Mod Wheel oder Touchstrip
- Transportfeld mit : PLAY, STOP, RECORD, Forward, Backward
- 2 bis 8 zusätzliche Funktionstasten
- 8 endlos Drehregler, idealerweise mit einem LED Ring
- 8 Fader
Konfiguration
- Komplett alle Tasten und Regler sollen per MIDI CC/MMC steuerbar sein!
- Die komplette Konfiguration soll am Gerät selbst, ohne zusätzliche Software durchführbar sein!
Nice To Have Features
- Display für die Einstellung des Gerätes
- Display, das Informationen anzeigt, die von der DAW kommt
- LED Positionslichter
- ….
Midi Controller
Klingt nach einem Haufen Features. Das Interessante dabei ist es, dass es solche Controller mit den meisten dieser Features schon vor über 20 Jahren gab. Und zwar für relativ schmales Geld.
Ein Klassiker, den ich auf Rat eines Freundes damals gekauft hatte ist die Novation X-Station von 2005. Die hat zwar noch einige Features mehr, wie ein Audiointerface und einen Synthesizer, aber wichtig ist, dass sie die grundlegenden Midi Features hat.
Ein weiterer günstiger Controller auch von Novation ist der Impulse ungefähr von 2011, den es bis heute noch zu kaufen gibt. Preis irgendwo zwischen 200-300€ .
Und dann gibt es natürlich auch noch die teurere Riege der Masterkeyboards, die als zentrale Schaltstelle, auch ohne Computer und DAW andere Geräte per Midi oder sogar noch mit weiteren Protokollen steuern können sollen.
Anmerkung: Der Grund warum ich hier Novation nenne, ist weil ich zum einen manche Geräte selbst besitze und bei der Recherche nicht wirklich vergleichbare Modelle gefunden habe. Was aber nicht heißt, dass es sie nicht gibt. Ich bitte hier selbst intensiv zu recherchieren.
DAW Integration
Ein paar Worte zur “üblichen” DAW integration. Diese haben oft den, ich nenne das mal sehr übertrieben den Rompler Fokus: Soundpresets auswählen und Effekthascherei. Das ist zwar mal ganz nett, aber der Alltag beim Musik machen besteht nur zu einem extrem kleinen Teil aus diesen beiden Dingen. Hauptsächlich ist man damit beschäftigt die Sounds und die Klangfarben anzupassen. Und genau das muss der Controller mit der Steuerung der Parameter hauptsächlich leisten können.
Natürlich wäre es in einer Situation super einen Controller mit 1000 Drehknöpfen und Fadern zu haben, der alle Parameter des Synthesizers, des Plugins oder was auch immer steuern kann. Das hätte aber auch gravierende Nachteile, wenn wir den Synthesizer oder das Plugin wechseln wollen. Oder wir stellen weitere Controller mit 1000 Drehknöpfen und Fadern hin. Damit hätten wir aber wieder ein ähnliches Platzproblem wie am Anfang mit den Autos und dem Blumenkohl beschrieben.
Nun kommt diese seltsame 8 Drehregler oder 8 Fader Anzahl mit ins Spiel. Ich weiß ehrlich gesagt nicht so ganz genau, was der Grund für genau diese Zahl war. Es könnte tatsächlich die damalige technische Limitierung gewesen sein. Speicher war teuer und die Signalverarbeitung fand eher im Hertz statt im Gigahertz Bereich statt. 8 Bit sind 1 Byte. Es könnte aber auch sein, dass der Grund ein rein haptischer war. Und auf die Fader bezogen könnten 2 Hände mit 10 Fingern abzüglich der 2 Daumen, der Grund für die Entscheidung gewesen sein. So dass 8 Finger gleichzeitig 8 Fader mehr oder minder gleich oder unterschiedlich bewegen können. Oder irgendwie beides.
Einen weiteren Vorteil hat diese Einteilung oder die Gruppierung in 8 Parameter auch noch. Gruppierungen kann man sich wesentlich einfacher merken, als alle einzelnen Parameter ohne Gruppierung. Und den größten Vorteil hat diese Gruppierung, wenn sie nicht fest an einen Parameter gebunden ist, sondern wie so eine Schablone über verschiedene Bereiche verschoben werden kann.
Dieses Verschieben ist technisch gesehen nur eine weitere Schicht, die geschaffen wird, damit die Verknüpfung von Drehreglern oder Fadern einfach dynamisch ausgetauscht werden können. So kann die Schablone über die Einstellungen eines Oszillators geschoben werden, wo dann mit 8 Drehknöpfen oder Fadern, (1) der Typ bzw die Welle, (2) die Oktave, (3) der Phasen Retrigger, (4) die Unison Stimmen, (5) den Unison Spread/Detune, (6) den Sub Oszillator, (7) der Hardsync und (8) die Pulsweite gesteuert werden.
Wird die Schablone dann zum Beispiel zum Filter “geschoben”, dann kann (1) der Filter, (2) die Flankensteilheit, (3) der Q, Gütefaktor oder Resonanz, (4) der Cutoff, (5) der Typ des Filters wie Clean oder Driven usw, (6) das Keytracking, (7) die Filtermodulation, (8) der Filter Drive eingestellt werden
Und so kann mit einer Gruppierung von nur 8 Knöpfen und der entsprechenden Definition ein riesiger Synthesizer gesteuert werden. Das gilt natürlich auch für die Auswahl von Soundpresets und Effekten.
Das ist bereits eine sehr intelligente Steuerung. Die meisten DAWs heutzutage bieten so eine Möglichkeit an. In Ableton heißt das Konzept “Macros” und in Bitwig gibt es die Remote Controls bzw die Remote Control Pages. Dazu habe ich auch unzählige Tutorial Videos produziert. Schau einfach dazu auf meinem YouTube Kanal .
Midi Learn
Ein weiterer spontaner Weg, der einem am Anfang einfacher und besser erscheint, aber auf lange Sicht sich als recht unflexibel herausstellt, ist es Drehknöpfe oder Fader direkt mit einem Parameter mit einer “Midi Learn” Funktion zu verknüpfen. Diese Funktion ist oft auch direkt in den Plugins vorhanden. Die Funktion ist sehr einfach. Man klickt auf einen Parameter, wählt Midi Learn aus und berührt dann den Controller Knopf oder Fader und schon sind diese beiden Dinge direkt verbunden. Wie gesagt für eine spontane Lösung gut, aber da die Knöpfe und Fader begrenzt sind und diese Zuordnung quasi direkt miteinander verkabelt ist, gibt es keine Flexibilität. Der einzige Weg mit einem Drehknopf einen anderen Parameter zu steuern ist es, das entsprechende Learn zu finden, zu löschen und dann ein neues Midi Learn auszuführen. Und das jedes Mal für jeden Knopf oder Fader.
Midi CC
Ein Mittelweg ist das Plugin oder auch die DAW mittels Midi CC zu steuern. Viele Plugins verstehen Midi CC und einige DAWs haben die Möglichkeit hier mit Stockplugins bzw eigenen Devices zu unterstützen. Der Vorteil diesen Weg zu nutzen ist, dass das Plugin immer nur dann auf die Midi CC Befehle reagiert, wenn es auch den Fokus oder den Input (Record) bekommt. Das erfordert auch etwas Einrichtungsarbeit, ist aber schon weitaus flexibler als Midi Learn.
Fazit
Was nützen uns jetzt diese viele wertvolle Informationen? Zum einen haben wir jetzt ein größeres Verständnis, welche Methoden es gibt die DAW mit einem geeigneten Controller zu steuern und zum anderen haben wir jetzt auch das Wissen an der Hand wonach wir in unserer DAW suchen müssen, um die perfekte DAW Integration nach unseren individuellen Bedürfnissen zu gestalten. Für die DAW Bitwig (und auch Cocos Reaper) gibt es einen großartigen und kostenlosen Treiber, der die Anpassung jedes Controllers, nicht nur mit Midi ermöglicht. Der Treiber kommt nicht direkt von Bitwig, sondern von Jürgen Moßgraber, heisst “Generic Flexi” und ist in der Extension DrivenByMoss für Bitwig verfügbar.
Mithilfe des Generic Flexi kann ein Midi Controller auf alle Funktionen der DAW zugreifen. Die Einrichtung ist auch ähnlich einfach wie beim Midi Learn. Einen Speicherplatz für die Funktion auswählen, den Drehknopf, Fader oder Knopf betätigen, dann den Knopf im Script einfach bestätigen und die Funktion auswählen, die mit dem Knopf ausgeführt werden soll. Und fertig. Speichern nicht vergessen!
Natürlich wird sich die Anforderungen an die eigene Konfiguration über die Zeit verändern, aber dank dieser Weise den Controller zu konfigurieren, hast du hier die absolute Freiheit alles so einzustellen, wie du es am Besten findest und löst dich von der Abhängigkeit und den Limitierungen, die dir Hersteller mit einer DAW Integration verkaufen.
Links und Webseiten
- Odo Sendaidokai YouTube Kanal
- DrivenByMoss von Jürgen Moßgraber
- Midi Standard 1.0 von Dave Smith Wikipedia
- Kostenloses Synthesizer Plugin SurgeXT
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