Du kennst das: ständig plingt und ploingt eines deiner 400 Apps auf deinem Smartphone. Hier eine Nachricht aus der Eifel,da wieder 15 Kalorien verbrannt, außerdem sagt die Wetter App, dass es die nächsten 14 Tage schön werden wird und Annika hat wieder ein Herzchen per Messenger geschickt. Dann ist da noch die Email, der Routenplaner und dann noch das Doomscrolling in den Social Media Netzwerken mit abschließendem Youtube Kaninchenbau Digging, das mit der Suche nach “Wie geht eigentlich nochmal Orangenschälen” begann und nach 3 Stunden bei “Süße Eisbärenbabys auf einer Scholle tanzen zu I like to move it” endet.
Total gestresst und mit dem Gefühl eigentlich gar nichts gemacht zu haben legst du das Smartphone an das Kabel, weil der Akku wieder leer ist.
Dann hörst du von Leuten die “jetzt mal Digital Detox machen”. Einfach mal eine Woche oder auch nur ein Wochenende aufs Smartphone verzichten. Das wäre so befreiend. Es ist plötzlich viel mehr Zeit da und es fühle sich so erfüllender an.
Warum nicht, denkst du, und probierst das aus. Und tatsächlich stellen sich auch die viel gepriesenen Effekte ein. Toll denkst du und nimmst dir vor das wieder mal zu machen. Oder auch regelmäßig. Jedes 4. Wochenende oder so. Und vielleicht ziehst du das auch durch.
Aber du machst es falsch.
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Social Media, Notifications und im Allgemeinen Smartphones mit ihren Apps ein hohes Suchtpotential inne haben. Nicht umsonst gibt es Apps, die eine Statistik über die Screentime führen bzw in denen auch die Nutzungszeit eingeschränkt werden kann. Aber da hört es ja auch noch nicht auf. Schließlich gibt es ja auch Smartwatches, die mit dem Smartphone verbunden sind. Spiegel mit integriertem Display, ein Smarthome, dass dich auch gerne mal mit dem Anzeigen der Nachrichten durch die Wohnung jagt. Oder einfach nur der Wechsel vom Smartphone auf das Tablett oder den Computer.
Wir sind Menschen, wir sind die Besten beim Selbstbetrug.
Wir finden Wege und Ausreden, warum dies oder jenes gerade nicht geht, oder warum es gerade jetzt und in dieser Situation eine Ausnahme geben muss. Aber wenn wir ehrlich wären …
Es ist also eine Sucht, denn sonst würden wir nicht so viel Energie aufwenden, um das zu bekommen, was wir eigentlich einschränken wollten (sollten). Denn die Menge macht das Gift und zuviel ist immer toxisch.
Es ist auch nicht dieses süße “Ich bin total süchtig nach”. Eine solche Verniedlichung sollten erwachsene Menschen schon alleine aufgrund des selbstzerstörerischen Charakters einer Sucht nicht sagen.
Sucht ist dir bestimmt bekannt unter den Begriffen Sexsucht, Spielsucht oder Drogensucht, wie Alkohl, Opium, Kokain, Herion und so weiter.
Picken wir uns doch einfach mal Herion raus. Wie sinnvoll wäre es für eine heroinabhänige Persion einmal im Monat ein Detox Wochenende zu machen? Oder für eine Alkoholabhängige Person? Und die restliche Zeit des Monats wird halt weiter gesoffen und gespritzt?
Kann doch nicht verglichen werden! Naja schon, denn es gibt da zum Beispiel den Spruch “Nur in einem gesunden körper wohnt ein gesunder Geist” oder das lateinische Original: Mens sana in corpore sano „ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“. Was so viel bedeutet, dass es eine Symbiose zwischen Geist und Körper gibt. Eine Wechselwirkung. Und noch viel wichtiger ist, dass darum geht, was wir in unseren Geist oder Körper aufnehmen und dass das Auswirkungen hat.
Psyche und Physis.
Temporäres Digital Detox ist mittel- und langfristig genauso wenig sinnvoll wie Lifestyle Diäten.
Statt Digital Detox solltest du darüber nachdenken, wer das Sagen hat. Hast du die Kontrolle über dein Smartphone und deine Apps, oder sagt dir dein Smartphone wann du was zu tun hast? Kannst du Widerstehen, wenn dein Smartphone spätestens jede Minute ploingt oder blinkt? Und sei ehrlich mit dir selbst.
Ein echtes Digital Detox heisst, dass du ganz allgemein deine Medienkompetenz und -nutzung selbst bestimmst. Ohne App. Einfach so mit einer Entscheidung und einer konsequenten Durchführung.
Und so könnte das aussehen:
Schalte alle Notifications aus. Nichts soll mehr blinken oder Töne von sich geben, außer du bestimmst es selbst. Also sowas wie ein Wecker, oder eine Erinnerung im Kalender, aber weder Email, Messenger oder irgendwelche Sozialen Netzwerke sollen in der Lage sein dich aus dem Nichts heraus zu stören.
Schalte mal das Internet einfach aus. Und schalte es einfach nur an, wenn du es aktiv brauchst. Damit hält eine Akku Ladung auch wesentlich länger.
Lass das Smartphone in der Tasche. Lege es nicht auf den Tisch, oder neben dich und behalte es auch nicht in der Hand. Lege es außerhalb deines Sichtfeldes ab. Es gibt sogar Studien die bewiesen haben wollen, dass ein Smartphone auf dem Tisch den IQ der BesitzerInnen senkt.
Wenn du dich mit Freunden oder anderen Menschen triffst, dann lass das Smartphone in der Tasche. Du musst nicht ständig Bilder zeigen, was aus dem Netz oder eine Nachricht vorspielen. Du musst dein Leben, dein Humor oder dein Lifestyle nicht “beweisen”.
Und auch gerade, wenn du mit Freunden zusammen bist und ihr jetzt gerade nicht auf den Namen von Dings hier kommt .. na .. mensch .. dieser Dings. Schau nicht im Netz nach. Haltet es einfach mal aus, dass ihr gerade aufgeschmissen seid. Einer Person in der Gruppe wird es kurz darauf einfallen wie Dings hieß.
Dazu gibt es noch eine interessante Beobachtung: Dinge, die ihr nachschauen müsst, bleiben weniger in Erinnerung, als die Dinge, über die ihr nachdenken müsst.
Und es gibt noch wesentlich mehr “Kleinigkeiten”, bei denen das Smartphone in der Tasche bleiben kann. Je mehr du auf das Smartphone verzichten kannst, desto mehr bestimmst du dein Leben selbst.
Und wenn du jetzt denkst, wasn das für ein komischer Typ, der solche merkwürdigen Artikel schreibt, ist das absolut in Ordnung. Aber noch merkwürdiger sind Menschen, die sich selbst betrügen und dass im vollen Bewusstsein, dass sie es gerade tun.
Ich wünsche dir, dass du dein Leben ab jetzt lebenslang selbst in die Hand nimmst. Und stelle dir immer wieder Fragen wie: Bestimme ich mein Leben immer noch selbst? Warum tue ich das gerade? Was ist wirklich wichtig?
Views: 4